
Peter Neururer war bislang ein eifriger Facebook-Poster. Bis Dienstag. Denn da wurde sein Passwort geknackt. Die Web-Einbrecher teilten auf Neururers Seite prompt ein Foto der Autogrammkarte des Ex-Bochumers Leon Goretzka. Dazu posteten sie den Text: „Melde Dich einmal bei mir!!!“ Neururer war außer sich: „Unfassbar“, sagte er der “Bild“. „Ich würde nie mit Leon über Facebook kommunizieren.“ Und: „Das ist der Fluch der neuen Medien. Für mich ist jetzt Schluss damit.“
Apropos Fluch. Es war nicht das erste Mal, dass Peter Neururer Computer-Probleme bekam. Hier erinnert er sich an einen verheerenden Daten-Verlust:
Schon zu meiner Zeit als Trainer beim FC Schalke 04 fing ich an, mir eine Spielerdatenbank aufzubauen. Ich beobachtete Spieler in Deutschland und halb Europa, und während ich auf der Tribüne saß, sprach ich die Informationen auf ein Diktiergerät: Rechtsfuß oder Linksfuß, Zweikampfverhalten, Kopfballspiel, Aktionsradius – alles, was ein Trainer wissen muss. So war ich immer über die Gegner im Bilde und hatte gleichzeitig einen guten Überblick über potentielle Neuverpflichtungen.
Mit größter Mühe über 3000 Spielerprofile zusammengetippt
Abends, wenn ich wieder zu Hause war, hörte ich meine mündlichen Notizen ab und trug sie nach und nach in die Datenbank ein. Mein Computer stand im Arbeitszimmer, ein riesiges Ding der ersten Generation, so groß wie ein Backofen. Ich selbst habe nicht die geringste Ahnung vom Programmieren und dem ganzen technischen Kram. Die Datenbank hatte ein Freund von mir auf meine Bedürfnisse hin konzipiert. An meiner Methode schieden sich die Geister: Manche nahmen mich auf die Schippe. Sie dachten, ich betreibe da eine Geheimwissenschaft, die mit Fußball nichts zu tun hat.
„Peter, du mit deiner elektrischen Schreibmaschine!“, sagten sie. Andere wiederum ahnten, dass ich meiner Zeit weit voraus war, und zeigten sich durchaus interessiert an meinem einzigartigen Wissensschatz. Die Verantwortlichen von Bayer Leverkusen etwa griffen die Idee auf und trieben sie systematisch voran. Ich aber saß weiterhin allein im stillen Kämmerlein – eine wahnsinnige Arbeit über Jahre! Irgendwann hatte ich im Zweifinger-Suchverfahren mit größter Mühe über 3000 Spielerprofile zusammengetippt.
Eines Tages, ich hackte mal wieder Zahlen und Buchstaben in die Tastatur, besuchte mich mein Sohn Jörn, der damals drei Jahre alt war, in meinem Arbeitszimmer. Nach einer Weile klingelte das Telefon, und ich ging ran. Man weiß ja nie, ob es nicht vielleicht doch wichtig ist. In meiner kurzen Abwesenheit kletterte der kleine Jörn, unheimlich gut auf den Beinen, auf den Schreibtischstuhl und sah mit seinen großen Augen auf dem Bildschirm etwas blinken. Er konnte natürlich noch nicht lesen, dennoch war das Geblinke eine Aufforderung für ihn, irgendwelche Knöpfe zu drücken.
Er drückte und drückte und drückte und drückte immer weiter, ich stand am Telefon und dachte: „Was sind denn das für komische Geräusche da an meinem Schreibtisch?“ Doch da war es schon um meine Datenbank geschehen: Jörn hatte über die Hälfte der Profile gelöscht! Die Arbeit von Wochen und Monaten – einfach futsch!
Bei Schalke konnte kein Mensch ermessen, was das bedeutete. Ich stand also ganz allein mit dem Verlust. Natürlich hatte ich keine Sicherheitskopie, ich wusste ja noch nicht einmal, was das ist. Erst nach dem Datencrash sorgte mein Freund dafür, dass so etwas nicht wieder passiert.
Und Lothar Matthäus?
Bis heute arbeite ich weiter an der Datenbank, mittlerweile mit anderen technischen Möglichkeiten. Es sind wieder um die 3000 Spieler enthalten. Ab und zu wird sie bereinigt. Einen Lothar Matthäus würden Sie nicht mehr darin finden, dafür kommen neue Jungs hinzu.
Mein Sohn ist erwachsen und arbeitet mir fleißig zu. Er schaut sich sehr viele Spiele an und liefert mir als eine Art Sichtungsmitarbeiter Daten: Rechtsfuß oder Linksfuß – Sie wissen schon. So hat er seine Scharte längst ausgewetzt. Aber den Datencrash hatte ich ihm auch schon vorher verziehen.
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