Der Beste, den es je gab

October 2024 · 3 minute read

Wer ihm gut zuhört, erkennt den leichten eng­li­schen Akzent. Und über­haupt: Dieses Auf­treten, diese mar­kante Stimme, die gewählten Worte – der Mann ist ein Sir, auch ohne den Titel. Bernd Traut­mann, seit wenigen Wochen 85 Jahre alt, gilt in Eng­land als Legende. Den Ruf erwarb er sich als Fuß­ball­tor­wart. In einer Zeit, in der Deut­sche in Eng­land uner­wünscht waren.

Als der gebür­tige Bremer vor zwölf Jahren zur Dele­ga­tion des Deut­schen Fuß­ball-Bundes bei der Euro­pa­meis­ter­schaft in Eng­land gehörte und die bri­ti­schen Alt­stars George Best und Dennis Law traf, wurde Best von Law auf­ge­klärt: »Da kommt der beste Tor­hüter, den es je auf dieser Welt gab!« Der beste Tor­wart der Welt? Obwohl er nicht ein ein­ziges Län­der­spiel vor­weisen kann?

Doch, die Briten denken bis heute so. Und sie bewun­dern Bernd Traut­mann nicht nur für seine sport­li­chen Leis­tungen. Son­dern auch für den mutigen Weg, den er ging.

Bri­ti­sche Gefan­gen­schaft

Kurz vor Kriegs­ende war er 1945 als 21-jäh­riger Fall­schirm­jäger in bri­ti­sche Gefan­gen­schaft geraten. Heute sagt er, »eine komi­sche Zeit« sei das damals gewesen. Einer­seits sei er »von einer Zent­ner­last befreit« worden, weil er wusste, nicht mehr getötet werden zu können, ander­seits habe es ihn schwer geplagt, nicht zu erfahren, wie es den Men­schen, die ihm wichtig waren, in der Heimat ging. Das Talent des Deut­schen war den fuß­ball­ver­rückten Eng­län­dern, die ihren Sport auch hinter Sta­chel­draht zuließen, nicht ver­borgen geblieben. Der kleine Klub St. Helens Town bewirkte eine Frei­stel­lung Traut­manns für seine Spiele, und nach seiner Ent­las­sung im Jahr 1948 wurde der große Blonde von Man­chester City ent­deckt. Der Start in eine aben­teu­er­liche Kar­riere.

Die Kom­men­ta­toren der Zei­tungen for­derten ent­rüstet, »dieser deut­sche Kriegs­ver­bre­cher« möge ver­schwinden. Zig­tau­sende pro­tes­tierten auf der Straße gegen »Traut, the Kraut«. Doch er blieb, und die Hetze ver­wan­delte sich in Aner­ken­nung. Denn der lange Kerl schaffte es, die Eng­länder zu begeis­tern. Als Meister des Stel­lungs­spiels, als akro­ba­ti­scher Flug­künstler, als furcht­loser Drauf­gänger. Es war bereits eine Sen­sa­tion, dass ihn die eng­li­schen Jour­na­listen am 3. Mai 1956 zum »Fuß­baller des Jahres« kürten – nie zuvor war einem Aus­länder diese Ehre zuteil geworden.

Traut­mann lag ver­letzt am Boden

Am 5. Mai stand der aus­ge­zeich­nete Tor­wart dann mit Man­chester City im Cup-Final gegen Bir­mingham, und die Zuschauer hielten den Atem an. Denn Traut­mann lag ver­letzt am Boden, regungslos. Betreuer rich­teten ihn auf, dann spielte er weiter. Eine Vier­tel­stunde lang. Er führte sein Team zum 3:1‑Sieg, ließ sich anschlie­ßend von Königin Eliza­beth gra­tu­lieren – und erfuhr erst zwei Tage später bei einer Rönt­gen­un­ter­su­chung, dass er trotz eines dia­gonal gebro­chenen Hals­wir­bels durch­ge­halten hatte. Er hatte sprich­wört­lich sein Leben aufs Spiel gesetzt.

Für die Eng­länder war er fortan ein Held.

In Deutsch­land aber igno­rierte ihn Sepp Her­berger, der Welt­meis­ter­trainer. »Ich war sogar bei ihm zuhause«, erzählt Traut­mann. »Aber er hatte Angst, mich zu berufen.« In den Fünf­zi­gern sei die öffent­liche Stim­mung ein­fach nicht danach gewesen, dass ein soge­nannter Legionär pro­blemlos zum Natio­nal­spieler hätte beför­dert werden können.

Seit vielen Jahren lebt Bernd Traut­mann nun schon mit seiner Frau Mar­lies in Spa­nien, bei Valencia. Er sagt, die Wärme dort sei gut für die lädierten Kno­chen, auf die er »drei­ßig­tau­sendmal geflogen« sei.

1964 hatte er seine Kar­riere in Man­chester beendet, nach 639 Spielen. Die City-Fans wählten ihn zum »besten Spieler aller Zeiten«, die Queen ernannte ihn zum »Ehren­of­fi­zier des Bri­ti­schen Empire«. Am Mitt­woch ehrt ihn der DFB – in ange­mes­senem Rahmen: Vor dem Län­der­spiel zwi­schen Deutsch­land und Eng­land in Berlin erhält Bernd Traut­mann die »DFB-Nadel mit Bril­lant«, die höchste Aus­zeich­nung, die der DFB an Per­sön­lich­keiten ver­gibt, die nicht seinen Gre­mien ange­hörten. DFB-Prä­si­dent Theo Zwan­ziger muss nicht über­treiben, wenn er sagt: »Bernd Traut­mann hat sehr viel zur deutsch-eng­li­schen Ver­söh­nung nach dem Zweiten Welt­krieg bei­getragen.«

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