
Wer ihm gut zuhört, erkennt den leichten englischen Akzent. Und überhaupt: Dieses Auftreten, diese markante Stimme, die gewählten Worte – der Mann ist ein Sir, auch ohne den Titel. Bernd Trautmann, seit wenigen Wochen 85 Jahre alt, gilt in England als Legende. Den Ruf erwarb er sich als Fußballtorwart. In einer Zeit, in der Deutsche in England unerwünscht waren.
Als der gebürtige Bremer vor zwölf Jahren zur Delegation des Deutschen Fußball-Bundes bei der Europameisterschaft in England gehörte und die britischen Altstars George Best und Dennis Law traf, wurde Best von Law aufgeklärt: »Da kommt der beste Torhüter, den es je auf dieser Welt gab!« Der beste Torwart der Welt? Obwohl er nicht ein einziges Länderspiel vorweisen kann?
Doch, die Briten denken bis heute so. Und sie bewundern Bernd Trautmann nicht nur für seine sportlichen Leistungen. Sondern auch für den mutigen Weg, den er ging.
Britische Gefangenschaft
Kurz vor Kriegsende war er 1945 als 21-jähriger Fallschirmjäger in britische Gefangenschaft geraten. Heute sagt er, »eine komische Zeit« sei das damals gewesen. Einerseits sei er »von einer Zentnerlast befreit« worden, weil er wusste, nicht mehr getötet werden zu können, anderseits habe es ihn schwer geplagt, nicht zu erfahren, wie es den Menschen, die ihm wichtig waren, in der Heimat ging. Das Talent des Deutschen war den fußballverrückten Engländern, die ihren Sport auch hinter Stacheldraht zuließen, nicht verborgen geblieben. Der kleine Klub St. Helens Town bewirkte eine Freistellung Trautmanns für seine Spiele, und nach seiner Entlassung im Jahr 1948 wurde der große Blonde von Manchester City entdeckt. Der Start in eine abenteuerliche Karriere.
Die Kommentatoren der Zeitungen forderten entrüstet, »dieser deutsche Kriegsverbrecher« möge verschwinden. Zigtausende protestierten auf der Straße gegen »Traut, the Kraut«. Doch er blieb, und die Hetze verwandelte sich in Anerkennung. Denn der lange Kerl schaffte es, die Engländer zu begeistern. Als Meister des Stellungsspiels, als akrobatischer Flugkünstler, als furchtloser Draufgänger. Es war bereits eine Sensation, dass ihn die englischen Journalisten am 3. Mai 1956 zum »Fußballer des Jahres« kürten – nie zuvor war einem Ausländer diese Ehre zuteil geworden.
Trautmann lag verletzt am Boden
Am 5. Mai stand der ausgezeichnete Torwart dann mit Manchester City im Cup-Final gegen Birmingham, und die Zuschauer hielten den Atem an. Denn Trautmann lag verletzt am Boden, regungslos. Betreuer richteten ihn auf, dann spielte er weiter. Eine Viertelstunde lang. Er führte sein Team zum 3:1‑Sieg, ließ sich anschließend von Königin Elizabeth gratulieren – und erfuhr erst zwei Tage später bei einer Röntgenuntersuchung, dass er trotz eines diagonal gebrochenen Halswirbels durchgehalten hatte. Er hatte sprichwörtlich sein Leben aufs Spiel gesetzt.
Für die Engländer war er fortan ein Held.
In Deutschland aber ignorierte ihn Sepp Herberger, der Weltmeistertrainer. »Ich war sogar bei ihm zuhause«, erzählt Trautmann. »Aber er hatte Angst, mich zu berufen.« In den Fünfzigern sei die öffentliche Stimmung einfach nicht danach gewesen, dass ein sogenannter Legionär problemlos zum Nationalspieler hätte befördert werden können.
Seit vielen Jahren lebt Bernd Trautmann nun schon mit seiner Frau Marlies in Spanien, bei Valencia. Er sagt, die Wärme dort sei gut für die lädierten Knochen, auf die er »dreißigtausendmal geflogen« sei.
1964 hatte er seine Karriere in Manchester beendet, nach 639 Spielen. Die City-Fans wählten ihn zum »besten Spieler aller Zeiten«, die Queen ernannte ihn zum »Ehrenoffizier des Britischen Empire«. Am Mittwoch ehrt ihn der DFB – in angemessenem Rahmen: Vor dem Länderspiel zwischen Deutschland und England in Berlin erhält Bernd Trautmann die »DFB-Nadel mit Brillant«, die höchste Auszeichnung, die der DFB an Persönlichkeiten vergibt, die nicht seinen Gremien angehörten. DFB-Präsident Theo Zwanziger muss nicht übertreiben, wenn er sagt: »Bernd Trautmann hat sehr viel zur deutsch-englischen Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen.«
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